Hippotherapie

Die Hippotherapie ist eine vom Arzt verordnete krankengymnastische Behandlungsmaßnahme. Das Pferd dient hierbei als Medium der Bewegungsübertragung. Durch die spezielle Schrittfolge des Pferdes bewegt sich der Rücken des Pferdes im Schritt dreidimensional; d.h. vor und zurück, rauf und runter und rechts und links. Die Bewegung des Pferderückens überträgt sich auf den Patienten, der auf die Impulse unwillkürlich mit seinem Stütz- und Bewegungsapparat antwortet. Ein Mensch mit gestörter Motorik bekommt vom Pferd „physiologische“ , d.h. gesunde Impulse und paßt sich mit seinen Bewegungen automatisch dem Pferd an. Der in seinem Bewegungsablauf gestörte Mensch bekommt also vom Pferd Impulse als ob er gehen würde. Ein Großpferd entsendet 90-110 Schwingungsimpulse pro Minute, die während der ganzen Therapie auf den Patienten einwirken. Zwangsläufig muß er sie wahrnehmen, übernehmen und ausgleichen und versuchen sich auszubalancieren. Mit keiner anderen physiotherapeutischen Technik kann man so regelmäßige Impulse über einen Zeitraum von 20-25 Minuten in einer Vorwärtsbewegung stimulieren, wie bei der Hippotherapie.

Wirkung

Die dreidimensionalen Schwingungsimpulse werden vom Becken des Patienten aufgenommen und in die Wirbelsäule weitergeleitet. Dies bewirkt eine Lockerung des Beckens, dadurch eine Aufrichtung des Oberkörpers und ein Einstellen des Kopfes auf die Bewegung. So haben wir ein Training der Rumpfmuskulatur und eine Stimulation der Kopfkontrolle und hiermit eine wichtige Voraussetzung für das Erlernen des Gehens. Der Körper des Patienten muß sich ständig neu an die Pferdebewegung anpassen. Er erfährt eine gleichmäßige, rhythmische Vorwärtsbewegung. Diese hat auch positiven Einfluß auf die Regulation des Muskeltonus (=Spannungszustand): spastische, verspannte Muskulatur wird gelockert; schlaffe, schwache Muskulatur wird zum Anspannen stimuliert. Gerade bei Patienten mit spastischen Diplegien oder Tetraspastiken treten diese Symptome meistens gemeinsam auf: eine spastische untere Extremität mit einem schwachen, hypotonen Oberkörper. Auf dem Pferd kann man beides gleichzeitig positiv beeinflussen. Der gespreizte Sitz und die Wärme des Pferdes bewirken auch eine Spastik-minderung der Beine. Das Gleichgewicht und die Koordination werden durch den Anpassungsprozeß an die Pferdebewegung ständig angeregt. Weiterhin positiv beeinflusst werden Körperbewußtsein, Tiefensensibilität, taktile Wahrnehmung, Raum-Lage-Bewußtsein, Reaktionsfähigkeit, Bewegungsplanung, Atmung und Sprache. Aus diesen vielen Punkten ergibt sich ein ganzheitlicher Ansatz der Therapie, da auf den ganzen Menschen Einfluß genommen werden kann.
Die für den einzelnen Patienten wichtigen Ziele muß man aus dem individuellen Befund herauslesen.

Indikationen

Neurologische Bewegungsstörungen bei Kindern und Erwachsenen:

  • frühkindlicher Hirnschaden
  • Z.n. Schädelhirntrauma
  • Multiple Sklerose
  • Z.n. Schlaganfall
  • In Einzelfällen Haltungsschwächen, Wirbelsäulenfehlhaltungen
  • Entwicklungsverzögerungen

Die Hippotherapie ist eine physiotherapeutische Behandlung und daher vom Arzt zu verordnen. Leider steht die Hippotherapie seit Neuestem auf der Negativliste der zu verordnenden Behandlungsmaßnahmen, d.h. die Krankenkassen bezahlen die Behandlung nicht mehr, was früher in Einzelfallentscheidungen möglich war.

Kontraindikationen

  • akute entzündliche Prozesse
  • Schub bei Multipler Sklerose
  • Zu starke Spastik der Beine
  • Hüftluxationen oder andere Hüfterkrankungen
  • Nicht eingestellte Anfallsleiden
  • Pferdehaarallergie
  • Angst vor Tieren

Durchführung

Die Hippotherapie ist immer eine Einzelbehandlung, pro Patient gibt es also einen Therapeuten, ein Pferd und einen Helfer, der das Pferd führt. Der Therapeut sichert den Patienten, in dem er direkt neben ihm hergeht um ihn zur Not festhalten zu können oder er sitzt mit auf dem Pferd, wenn der Patient nicht alleine sitzen kann. Das Pferd geht in der Hippotherapie immer im Schritt. Die Therapieeinheit dauert 20-25 Minuten und wird 1 Mal pro Woche durchgeführt. Sie ist eine zusätzliche Therapie zur herkömmlichen Physiotherapie.

Als Ausrüstung benötigt das Pferd eine Trense, Decke und Gurt oder Sattel. Das Pferd geht am Langzügel, an der Longe oder wird geführt. Um Patienten aus dem Rollstuhl auf das Pferd zu bekommen benötigt man eine Aufstiegshilfe (Rampe).